Skip to content

Kurze Geschichte eines Ausländers zur Wohnungssuche

Anlässlich eines Experimentes von Journalisten des Bayerischen Rundfunks und des Spiegel möchte ich die Chance ergreifen, den Urhebern der Studie zu danken. Tatsächlich habe ich auch, als (voll integrierter) Italiener und EU-Ausländer in Deutschland, die gleiche Erfahrung bei der Wohnungssuche gemacht, wie sie in dem Experiment beschrieben wird.

Das Experiment

Kurz zu dem Experiment: Die Journalisten haben automatisiert mit ausländischen Namen auf Miet- und Wohnungsangeboten geantwortet und gezählt, wie viele Zusagen und Absagen sie jeweils mit einem bestimmten Namen bekommen haben. Dabei reden wir hier noch von der reinen Kontaktaufnahme per E-Mail, d.h. zum Zeitpunkt der Absagen gab es noch keine persönlichen Treffen oder Wohnungsbesichtigungen.
Weitere Infos und Ergebnisse finden sich auf der offiziellen Webseite des Experimentes: https://www.hanna-und-ismail.de/

Das Ergebnis: Bei rund 8000 Antworten haben Wohnungssuchende mit bestimmter Herkunft direkt eine Absage bekommen, ohne eine Chance, sich persönlich vorzustellen. Die Aufschlüsselung ist hier zu sehen:

In Internet-Foren und im Kommentarbereich des Spiegels scheint das nicht überraschend zu sein, da man entweder als Ausländer das genauso erlebt hat oder als Vermieter das gerne zugibt, dass man gewisse Gruppen nicht mag. Die folgenden Beiträge beispielsweise finde ich interessant und verstörend zugleich:

Sie haben Recht
Wir haben Ende 2016 eine Wohnung in München vermietet und zwar an ein junges Ingenieur- Paar aus Norditalien mit einem gemeinsamen Netto-Einkommen von 7.000,00 Euro und beschãftigt bei zwei DAX-Konzernen. Türken und Araber haben sich nicht beworben, ich schätze 50 Deutsche, 2 Chinesen, 1 Amerikaner, 1 Australier und 1 Engländer, alles hochqualifizierte Leute mit Nettoeinkommen >5.000 Euro. Ich sage es Ihnen aber auch ganz ehrlich: Türken und Araber hätten wir auf Grund der “Empfehlungen” des Verwalters und im gleichen Haus lebenden Hausmeisters auch gar nicht erst eingeladen. Meine Freundin (blond, hübsch) geht abends seit der durch Frau Merkel initiierten Massenmigration ohne Männerbegleitung nach einschlägigen Erfahrungen nicht mehr in die Innenstadt, von öffentlichen Schwimmbädern ganz zu schweigen. Das ist sehr bedauerlich und hat natürlich auch zu dieser ablehnenden Haltung beigetragen.

Normale Zustände
ehrlich,wer möchte schon Türken,Araber odet Afrikaner als Mieter.Solche Kulturen machen doch nur Stress und stören den Hausfrieden.Meine Eltern hatten mal an Türken vermietet.Das ganze Haus stank nach Hammel und hordenweise Besuch.Wer soll das aushalten.Nie wieder!

Das man auf Internet-Seiten unter Pseudonymen diese rassistischen Kommentare liest, ist leider schon Alltag und gar nicht so verwunderlich. Aber hier geht es nicht um Problemgruppen, um Kulturen oder Aussehen. Hier geht es um Namen. Namen, die wir alle bei unserer Geburt bekommen, beim Heiraten oder anderweitig annehmen, und die Menschen das Leben schwer machen. Daher ist das schon ein systematischer Rassismus, der nochmal krasser wirkt als die “üblichen” Beschimpfungen auf der Straße.

Erfahrungen

Nun zu meinen eigenen Geschichten und Anekdoten. Als Student bin ich innerhalb von 5 Jahren aus verschiedenen Gründen 7 Mal umgezogen, mal in andere Stadtviertel, mal aus Bequemlichkeit, mal wegen finanziellen Entscheidungen. Hierzu muss ich erwähnen, dass ich bis auf eine Ausnahme diese Umzüge nicht alleine bewältigt habe. Meine Partnerin, eine nette Dame mit arabischem Namen und deutschen Wurzeln, hat mich bei der Wohnungssuche begleitet.

Bei unseren ersten Versuchen lief das nicht so gut wie erhofft. Bezahlbare Zimmer und Wohnungen waren Mangelware, und bei den Anrufen waren viele Vermieter wohl überfordert mit den vielen Anfragen, und haben uns direkt abgesagt. Dabei tätigte ich die Anrufe, am Anfang zumindest noch.

Nach einer Weile bemerkten wir doch ein Muster: Beim Anruf stellten wir uns als Studenten vor, mit sicherem Einkommen und bereit, für die nächsten 2-3 Jahre in der Stadt zu verweilen. Dann wurde uns am Telefon das Mietobjekt beschrieben, meist eine kleine unmöblierte Wohnung, und ob wir denn Interesse an einer Besichtigung hätten. Natürlich hatten wir das und wurden nochmal nach dem Namen gefragt. Ich sagte “Davide Bove” und musste das nochmal buchstabieren, weil das nun mal ein unüblicher Name ist.
Danach begann das, was ich gerne Racial Profiling nenne. Nachfragen. Woher ich denn komme? Wie lange ich schon in Deutschland bin. Wie mein Aufenthaltsstatus ist?

Auf die Antwort, dass ich in Deutschland geboren sei und hier ganz normal studiere, bot sich mir eine Antwort, die ich nie für möglich gehalten hätte:

Tut mir leid, aber die Wohnung ist schon vergeben.

Und er legte auf.

Wäre das ein Einzelfall gewesen, würde ich noch heute darüber lachen, über diesen älteren Herren mit deutschem Nachnamen. Ach, diese Senioren heutzutage! Doch, es blieb nicht dabei. Ich rede hier von unzähligen Anrufen für eine Vielzahl von Angeboten. Immer das gleiche Muster:

Italiener? Nein, tut mir Leid, die Wohnung ist nicht zu vermieten.

Man hatte keine Chance auf Klarstellung. Aber was wollte man denn überhaupt klar stellen? Dass man kein schlechter Mensch sei? Dass man das Geld für die Miete hatte, trotz Herkunft?

Auf jeden Fall setzte sich irgendwann Frust ein, und ich hab die Telefonate aufgegeben und die Aufgabe meiner Partnerin übergeben. Auch sie, akzentfreies Deutsch mit badischem Dialekt, hatte erst einmal keinen Erfolg. Sie erzählte am Telefon, dass sie eine Wohnung für sich und ihren Freund sucht. Bis auf die wenigen Vermieter, die studentische Paare diskriminieren, war das bis dahin auch kein Problem.
Ihr Fehler war auch nicht, dass sie ihren Namen nannte. Sondern: dass sie meinen nannte. Sobald die zukünftigen Vermieter hörten, dass ein Herr Bove (“oder Bofe, Böwe, wie ist der Name noch gleich?!“) mit in der Wohnung leben würde, kam die nächste Ausrede:

Nein, wir wollen eigentlich keine Paare.

oder

wir haben uns da leider schon entschieden.

Die Absagen waren so offensichtlich diskriminierend, dass ich tatsächlich einem Vermieter sagte, was das denn solle. Dieser meinte jedoch nur:

Wir wollen hier keinen wie sie

und legte auf. Da… ist man erst einmal baff.

Neue Strategien

Da die ehrliche Tour leider erfolglos war, suchten wir nach neuen Strategien. Wir gaben bei manchen Vermietern nur eine Telefonnummer an, ohne Namen. Ich ließ auf jeden Fall immer meine Partnerin anrufen, denn wir hatten gemerkt, dass sie mit ihrer weiblichen Stimme die (überwiegend männlichen) Vermieter länger an den Hörer binden konnte. Mein Name wurde ausgelassen beim ersten Gespräch, es wurde nur von einem “Freund” gesprochen, der auch studiert und ein Einkommen hat.

Damit landeten wir tatsächlich die ersten Besichtigungen. Leider gab es auch da wieder investigative Vermieter, die mich beim Racial Profiling genau anstarrten und sich nicht durch mein akzentfreies Hochdeutsch und meine tadellose Schufa-Auskunft beirren ließen.

Weiterhin hatten wir einige Besichtigungen, bei der nur meine Partnerin anwesend war. Trotz ihres “komischen” arabischen Namens ist sie wohl physisch ansprechender und Zitat: “sieht nicht aus wie eine Ausländerin”, was ich von mir leider nicht behaupten kann.

Fazit

Damit endet meine Geschichte und Meinung zu dem Thema, die ich mal teilen wollte. Ich mag auch die Reaktionen und freue mich über Meinungen und Kommentare dazu. Was das Experiment angeht: Die Ergebnisse kann ich mit meinen Lebenserfahrungen nur bestätigen.

Eine der Wohnungen bekamen wir dann tatsächlich, und das von zwei jüngeren Herren, denen die Herkunft “wurscht”, also egal, war. Ich würde mir wünschen, dass auch Sie, liebe Vermieter, das so sehen könnten.

Published inDeutschPersonal

Be First to Comment

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *